Stolzenburger und andere Anekdoten
> Die Stolzenburger Spitznamen sind eine Wissenschaft für sich
> Der Pfarrer und der Burghüter…
> Die Stolzenburger lieben Literatur
> Erinnerungen an „unseren“ Pfarrer, der uns getauft, konfirmiert und getraut hat
> Chrästneicht – Wîǝ äs de Scheir?
> Unangemeldete Hausbesuche, heute ein Ding der Unmöglichkeit
> Die liebe Not mit dem Jacksel
> Kinderlandverschickung vor 90 Jahren
> Gastfreundschaft bei unseren Stolzenburger Mitbürgern – mein Haus ist dein Haus
Kein Zankapfel
Von dem aufgeweckten und neugierigen Erstklässler 1962 hab ich schon erzählt. Er wollte unbedingt sehen, wie seine Lehrerin haust („Ich möchte sehen, wie Ihr’s zu Hause habt“) und so durfte er einmal, nach dem Unterricht, auch mit der Lehrerin zu ihr nach Hause gehen und sich dort „umschauen“. Am nächsten Tag hielt er seiner Lehrerin – sozusagen als Dankeschön – einen schönen dicken Apfel mit den Worten hin: „Ei, beiß na!“ und die Lehrerin entgegnete: „Ei, lass na!“
Knüppel aus dem Sack
Der Pfarrer hatte es oft nicht leicht mit den Konfirmanden, v. a. den Jungen, denn es handelte sich um pubertierende 13 – 15-Jährige und so ernst wie in der Schule ging es än der Loihr (im Konfirmandenunterricht) nicht zu, weil es hier keine Noten gab. Da konnten sich diese „Lergesch und Purligaren“ (Bengel), einiges erlauben.
Die Konfirmanden saßen im Sommer im Chorraum der Kirche, da war es schön kühl. Die Mädchen auf der einen und die Jungen auf der anderen Seite vor dem Chorgestühl und der Pfarrer dazwischen an einem kleinen Tischchen. Einmal musste er zu einer außergewöhnlichen Maßnahme greifen, um die Bande ruhig zu kriegen: Er nahm zwei Jungen und einen langen Stock mit in die Sakristei. Da wurde es plötzlich mucksmäuschenstill unter den anderen Konfirmanden im Kircheraum, denn aus der Sakristei kam lautes, hartes Schlagen und Wehgeschrei. Danach kamen die drei heraus, die Ruhe war wiederhergestellt und der Unterricht konnte ungestört weitergehen. Der Pfarrer hatte nämlich mit dem Stock auf eine Holzbank geschlagen, während Sigi und Tumi, nicht faul, ganz laut „vor Schmerzen“ jammerten.
Härrefläcken
Eine lebenserfahrene Stolzenburgerin bemerkte einmal: „Chå, chå, wuon em zǝ den Härrǝ goiht, broinģt em ǝn. Wuon dǝ Härrǝn zä aus kun, git em ǝn“.
Leibgericht
„Ich hått esi Duor nîă Palleocks!“ erzählte mir eine Stolzenburgerin neulich am Telefon. Ich fragte sie, wie sie den Pallukes denn am liebsten isst, heiß in kalter Milch oder mit Käse? Sie meinte: „Nå naa! Esi mät Floisch uch Wurscht ais der Brîădeschässel!“ Recht hat sie! Sie kennt viele Lieder und gesetzte Reden, wie man sie bei verschiedenen Anlässen vorzutragen hatte: Kaimes (Taufe), Mätblaiwen (Konfirmation), Brautvertrinken (Verlobung), Hochzeit, Tod, bam Haden (wörtlich: Hüten, Totenwache), de Lïech (Begräbnis) und Lïechzoichen (Leichenschmaus, in Siebenbürgen Tränenbrot genannt). Ich lobte sie, weil sie (noch) so viel weiß, da meinte sie, sie sei auch sehr froh, dass sie noch klar und nicht „verhuddelt äm Hoift“ ist wie einige ihrer Heimgenossinnen.
Die Stolzenburger Spitznamen sind eine Wissenschaft für sich
Hierzu werde ich noch ausführlich schreiben, aber eines halte ich schon mal fest: Es gab erlaubte und unerlaubte Spitznamen. Mit ersteren durfte man die Betreffenden ansprechen, mit letzteren besser nicht. Daher würde ich erstere eher Beinamen nennen.
Als ich so 10 – 12 war, schickte mich meine Mutter mit 2,5 kg Mehl zur Rauwelmahn*, da sie angeboten hatte, für uns ein Brot mit zu backen. Das war die Familie Weidenfelder. Da es im Dorf viele Familien mit diesem Nachnamen gab, war es sehr hilfreich, dass man sich der Spitz-/Beinamen bedienen konnte, anhand derer man im Gespräch gleich wusste, welche der 20-30 Familien Weidenfelder gemeint war. War es der Rauwel oder der Tatch, der Danjel oder der Schellesch oder doch einfach der Wedgefoldjer? Übrigens, Schelles ist ein sehr alter Familienname, der heute aber als solcher nicht mehr existiert, eben nur als Spitz- oder Beiname.
Also ich kam auf den Hof der Rauwels, da kam mir der Herr des Hauses schon entgegen, der Rauweloihm*. Immerhin wusste ich, dass sich die Leute offiziell Weidenfelder schreiben und dachte, Rauwel sei ein Spitzname, den man nicht verwenden darf und sagte ganz vorsichtig: Ist die Weidenfeldermahn zu Hause? Er sah mich verwundert an und entgegnete: de Wedjefoldjermahn wunnt keiniff! (die Weidelfelder-Mahn wohnt gegenüber!) Da verstand ich, dass „Rauwel“ kein Spitzname sondern ein Beiname, also ein erlaubter, war und verbesserte mich sofort: Äs de Rauwelmahn derhoim? Er lachte daraufhin verschmitzt und bat mich, einzutreten. Damals wusste ich auch nicht, was ich heute weiß: Es gab vor vielen Jahrhunderten tatsächlich eine Familie Rawel, die nach Stolzenburg einwanderte. Der Familienname starb aber aus und existiert heute eben nur noch als Beiname. Manche behaupten, der Name Rauwel käme von Raphael. Und Danjel von Daniel. Gut möglich!
*Frauen wurden von allen jüngeren Gemeindemitgliedern im Dorf mit Mahn (Muhme, Tante) angesprochen und Männer mit Oihm (Oheim, Onkel).
Geschlëijert
Zu der Zeit lebten mein Mann und ich samt fünf Monate altem Baby Dagmar beim Vater im Stolzenburger Pfarrhaus. In der großen Küche (42 qm!) ging eine Wäscheleine quer durch den ganzen Raum. Eines späten Abends hatte ich – wie jeden Abend – die Mullwindeln gewaschen, ausgekocht und lose, also ohne Quautschker (Wäscheklammern) auf die Leine gehängt. Mein Mann musste am nächsten Morgen früh raus, um den 5-Uhr-Bus nach Hermannstadt zu erreichen. Draußen herrschte strenger Frost und so setzte er beim Rausgehen eine hellbraune spitz zulaufende Fellmütze auf. Der Rest des Hauses schlief noch. Als er am Abend wieder heimkam, knallte er mir eine weiße Mullwindel auf den Tisch mit den Worten: „Die hatte ich heute früh auf dem Kopf, als ich in der Bushaltestelle ankam.“ Er muss wohl beim Rausgehen von der Wäscheleine mit der dicken Fellmütze eine über Nacht getrocknete Windel abgestreift und mitgenommen haben. Der „Schleier“ wehte und hielt sich obenauf bis zur Bushaltestelle, wo die eben noch verschlafen auf den Bus Wartenden plötzlich hellwach wurden und nicht wenig zu lachen hatten. Wer sich seiner erbarmt hat und ihm den „Schleier“ abgenommen hat, weiß ich leider nicht!
Äm Auren – Erntezeit
Wenn es im Juli zum Kornschneiden ging, die ganze Familie mit anpacken musste und Schnitter und Schnitterinnen auf dem Feld schwitzten, konnte man eines der Kinder um die Mittagszeit nach Hause ins Dorf schicken mit dem Auftrag: Dea Sus, gungk hîǝmen ǝnd broing as awenig Ruhm mät Seormealtch! Ǻwer, Suseo, mîi Ruhm wai Seormealtch!“ Ihr merkt schon, es ist nicht der Stolzenburger Dialekt. Die Anekdote stammt nämlich aus Neudorf. Die erzählte mein Vater gern und schmunzelte dabei so für sich hin oder lachte als einziger über seinen „Witz“, während wir jungen und ignoranten Kinder nur gelangweilt und verständnislos die Augen verdrehten. Übrigens, ich würde den Rahm (im Sächsischen weiblich: dǝ Ruhm) der Sauermilch auch vorziehen, genau wie meine Urgroßmutter, die Staddernhonzin selig.
Kugel = Bila = Ball = Poila
Zu „Poila“ gibt es eine Geschichte aus bundesrepublikanischer Zeit: eine junge Mutter, aus Siebenbürgen nach Deutschland ausgewandert, ist mit ihrem Dreijährigen auf einem Spielplatz und der Kleine ruft einem anderen Kind zu: Gäw mer den Poila! Als das angesprochene Kind und seine Mutter verständnislos den Kopf schütteln, schwört sich die junge Mutter, dass sie nur noch Deutsch mit dem Jungen sprechen wird. – Wie freue ich mich, dass dieser, inzwischen ein gestandenes Mannsbild, trotzdem heute noch reinstes Stolzenburger Sächsisch spricht! Dafür können meine eigenen Kinder es leider nicht (mehr). Irgendetwas hab ich falsch gemacht. Immerhin verstehen sie es. Also „verkaufen“ kann man sie auf Sächsisch nicht.
Der Pfarrer und der Burghüter…
Einmal, ich war Mitte 20, stand ich im Pfarrgarten an der Mauer, die die Grenze zum „Fårreschrauhen“, dem Hohlweg zur Burg bildete, und pflückte Himbeeren. Plötzlich hörte ich eine laute Stimme vom Hof der Kirchendienerin. Der Burghüter war zu Besuch und saß mit ihr auf dem Bänkchen unterm Birnbaum. Er schien sehr aufgebracht und schimpfte. Ich verstand nur die Worte: „det Einäuglein“ und „ deser Kommunist“. Ich war empört und rief hinüber, dass er aufhören solle, so über meinen Vater zu sprechen. Das schien ihn nicht zu beeindrucken, ganz im Gegenteil, er sagte etwas von „aha, det Freila häout gehuorcht!“. Ich entgegnete, dass man bei seinem Geschrei nicht lauschen muss. Ich weiß bis heute nicht, womit ihn der Härr Fårr so erbost haben könnte. Nun, sie sind alle drei schon lange tot: der Pfarrer, der Burghüter und die Kirchendienerin.
Die Stolzenburger lieben Literatur
Wisst ihr, was in Stolzenburg die Frage „Häouste Literatur mätbreicht?“ bedeutete? Ohne Literatur (Alkoholisches in der Literflasche) konnte man sich nämlich auf keiner richtigen Party, in Stolzenburg entweder „Chef“ oder åf gat Såksesch „Ånģjerhauldung“ (Unterhaltung) genannt, blicken lassen.
Ein Koffer voller Briefe
Wisst ihr eigentlich, was ein Pfarrer früher den ganzen Tag machte? Denn predigen musste er ja nur am Sonntag, wie wir alle wissen
Bei solch einer „stattlichen“ Gemeinde fiel außer den umfangreichen Sekretariatsarbeiten – er hatte keine Sekretärin wie der Großauer Pfarrer – auch viel „fachfremde“ Korrespondenz an. Ich fand in seinem Nachlass einen alten Koffer voller Briefe, sauber nach Jahren sortiert und mit einem „Litzel“ zu Bündeln zusammengeschnürt. Briefe vor allem aus den 50er, 60er und 70er Jahren. Was war da nicht alles dabei:
Anfragen von Ärzten, Anwälten, Diplomaten aus Bukarest und Klausenburg, die ein Kindermädchen oder eine Haushälterin suchten. Pfarrerkollegen, die Auskünfte über abgewanderte Personen der Gemeinde wünschten, ein pensionierter Pfarrer, der sein Ornat veräußern wollte, jemand, der Bockelnadeln kaufen wollte. Anfragen und Berichte des Leiters der Organistenschule in Baaßen. Nun, diese Korrespondenz war mitnichten fachfremd, denn es ging um den Organistennachwuchs.
Dann war da noch Post von Deutschen und andere Touristen aus aller Welt, die in Stolzenburg Halt gemacht hatten und nachher in ihren Briefen dafür dankten, dass der Pfarrer sie in Kirche und auf der Burg herumgeführt und ihnen Einblicke in die Kultur und Geschichte von Siebenbürgen gewährt hatte. Manchmal kamen ganze Busse mit Touristen. Bei einer dieser Gelegenheiten drückte ihm eine dankbare Touristin sogar eine Mark in die Hand, sozusagen als Trinkgeld, in Siebenbürgen „Tschubuk“ oder „Bakschisch“ (Türkisch lässt grüßen) genannt. Nun, wer den Pfennig nicht ehrt…
Besonders begeistert waren die Urlauber mit ihren schönen Westautos, wenn sie einem Sonntagsgottesdienst beiwohnen und die Stolzenburger Tracht bewundern konnten. Viele von ihnen staunten auch darüber, im Gottesdienst und bei Begegnungen auf der Straße auf reinst gesprochenes Schriftdeutsch zu treffen. Sie revanchierten sich für das Erlebte, indem sie die in Stolzenburg geschossenen Fotos später an den Pfarrer schickten mit der Bitte, sie den Betreffenden auszuhändigen, was der Pfarrer gern erledigte. Dutzende Briefe von deutschen Touristen aus Ost und West, aus Europa und Amerika habe ich gelesen, die sich ausgesprochen herzlich an die Begegnungen in Stolzenburg erinnerten.
Auch ausgewanderte oder durch den Krieg in Deutschland verbliebene Stolzenburger baten des Öfteren den Pfarrer um schriftliche Auskünfte über ihre Verwandten, etwa wegen Erbschafts- oder Lastenausgleichsangelegenheiten oder weil sie Bestätigungen zu Tauf- und Heiratsdaten aus dem Pfarramt benötigten.
Ein nach Österreich ausgewanderter 77jähriger Stolzenburger, ein Veteran des 1. Weltkrieges, schreibt, dass nur die schöne Stadt Wien und seine beiden fürsorglichen Söhne sein Heimweh etwas erträglicher machen konnten. Was mir bei diesem Brief aber besonders aufgefallen ist, war die äußerst ebenmäßige, mustergültige Handschrift. Etwas ähnlich Schönes habe ich vorher und nachher nicht gesehen.
In einem anderen Schreiben holt ein Arzt aus Westdeutschland Erkundigungen über die Familie eines ausgewanderten Stolzenburgers ein, der seine große Familie baldmöglichst nachholen möchte.
Astrid K. Thal, 18. März 2023
Post aus Südamerika
Ganz besonders beeindruckt hat mich ein Brief von 1959: es ist ein zweiseitiges Schreiben einer zu ihrer Tochter nach Peru ausgewanderten Stolzenburgerin: „…
Heute ist erster Ostertag. Ich war allein, aber im Geist war ich drüben an meinem Platz in der Kirche und bei der Begleitung („Oisterbegloit“) auf dem Pfarrhof. Alle Osterlieder und das Osterevangelium habe ich gelesen und habe mich satt geweint über die große Gnade, die der liebe Gott den Menschen hat zuteilwerden lassen…“.
Und das schreibt sie ein paar Jahre, nachdem der Krieg und die Zwangsverschleppung Familien zerstört, auseinandergerissen und in alle Welt verstreut hatten. Wie viel Demut und Gottvertrauen!
Unter anderem fragt sie nach der neuen Gasheizung im Heimatdorf und nach der Familie des Pfarrers. Auch bedauert sie, dass er seinen Bruder im Krieg verloren hat. Nach ihrer zweiten Tochter Lisi erkundigt sie sich auch, die noch in Siebenbürgen, aber nicht mehr in Stolzenburg lebt, da sie dort angeblich kein Zuhause mehr habe.
Besonders interessant finde ich, wie Agnetha S. vom Leben auf der Farm ihrer Tochter in Peru erzählt, wo Kaffee, Kakao und Reis angebaut und geerntet, Rinder und Hühner gezüchtet werden: „…Wir haben 150 kg Kaffee geerntet, fertig getrocknet. Er wird so lange in der Sonne getrocknet, bis man die Bohne nicht mehr zerbeissen kann. …“ Und: „… In nächster Zeit ist der Reis reif, der wird geschnitten wie bei uns zu Hause das Korn und auf einer Maschine geschält. Auch ein großes Feld mit Mais haben wir zum Abnehmen. Wir haben viele Hühner, davon wir jede Woche eines schlachten, manchmal auch zwei, wenn’s kein Rindfleisch gibt.
Mariechen kocht sehr gut. Und dann jeden Tag am Nachmittag den guten Kaffee. Am Abend Tee mit Zitrone und Konservenfleisch und gekochte Eier. Einen Eisschrank haben wir auch, damit uns nichts verdirbt.“ Ich erfahre weiter: Ihre jüngere Enkeltochter geht in Lima in die deutsche Schule während die ältere Kindermädchen in New York ist und dort einen Amerikaner heiraten soll.
Zum Schluss sendet sie Grüße in die Heimat und eine Bemerkung am seitlichen Rand des Briefbogens: „Eine schöne Predigt von Ihnen würde mir wohl tun“, was mich für meinen Vater als Seelsorger besonders gefreut hat. Echte Empfindungen, wahrhafte Gedanken, schlicht und ehrlich ausgedrückt! Bestätigung und Anerkennung vom anderen Ende der Welt. Eine Stolzenburgerin beim Kaffee-Ernten und Reis anbauen in Südamerika. 1959. Unglaublich. Ich hüte diesen Brief wie einen Schatz, obwohl ich diese Frau nie gekannt habe.
Astrid K. Thal, 18. März 2023
Anekdoten, Teil II.
Erinnerungen an „unseren“ Pfarrer, der uns getauft, konfirmiert und getraut hat
Ein Stolzenburger erinnert sich an zwei Begegnungen in seiner Kindheit mit dem Härr Fårr Schneider. Schönen Dank, dass er seine Erinnerungen mit uns teilt!
„Als Zweitklässler war ich mit meinem Flügelhorn auf dem Weg zu meinem Großvater in die Musikprobe. Der lange Weg mit dem schweren und sperrigen Blasinstrument führte von meinem Elternhaus im Winkel in die Anglergasse zum Haus des Großvaters Schieb, allgemein als „der Scheb, der Thomä“ bekannt. Unterwegs überholte mich der Pfarrer und fragte: „Meng Gang, wat host ta än dem schweren Sack uch wor giehst ta“? „Miëng Flijelhǝrn, Härr Fårr, ich gîăhn zä miënjem Groißväouter än dǝ Präoub.“ Daraufhin nahm er mir den Sack mit dem Flügelhorn ab und trug ihn ein Stück, bis sich unsere Wege trennten.“
„Bei einer Beerdigung, die bekanntlich im Trauerhaus begann, welches in vorliegendem Fall weit unten im Trajǝmänt, fast bei der Niëngyesbräck lag, hatte der Organist, allen bekannt als Loingderoihm, plötzlich festgestellt, dass er die Notenhefte in der Kirche bei der Orgel vergessen hatte. Ich war, wie alle andern Kinder, als Zaungast auf der Straße vor dem Trauerhaus dabei und weil er mich als Sohn seines Musikanten-Kollegen gut kannte, schickte er mich, schleunigst die Marschhefte von der Kirchendienerin, der Schebemähn, zu holen. Ich lief den langen Weg zur Kirche und holte die Notenblätter, war aber zu faul noch einmal den weiten Weg zum Trauerhaus zurück zu laufen. Ich erblickte den Herrn Pfarrer bei der „Granebräck“, auch er auf dem Weg zum Trauerhaus, holte ihn ein und fragte, ob er denn die Notenhefte für den Organisten mitnehmen könnte. Er nahm sie ohne zu zögern an sich und übergab sie wunschgemäß dem Organisten. Nach der Beerdigung bemerkte dieser zu meinem Vater: „Hăi Scheb, ståll der vîǝr, ihr Hanzi häout dem Härr Fårr de Marschbäjeltcher mätgǝgëin! Nå, deses näouch häout niëmest moi gǝmäoucht!“ Ich jedoch hatte (mir) einen Weg erspart!“
Die Bräuche und gesetzten Reden bei Beerdigungen und anderen Anlässen sind zwar hinlänglich bekannt, aber da sie mir neulich auch im Zusammenhang mit eher lustigen Anekdoten zugespielt wurden, möchte ich sie hier noch einmal in Erinnerung rufen:
Wenn jemand im Dorf gestorben war, wurden die vier Altnachbarn (die Vorsitzenden der Nachbarschaften) verständigt und diese holten das Nachbarzeichen hervor, ein geschnitztes Brettchen in Blumen- oder Herzform mit einem handlichen Griff, und brachten es zu ihren Nachbarn mit der Bitte, es schnellstens von Haus zu Haus weiterzugeben, mit der Nachricht: „Der Hausvater H. S. lässt zu Wissen tun, dass die Hausmutter K. S. gestorben ist. Übermorgen um Zwei ist die Beerdigung“ (Mårren åm Zwei äs de Lech!). Der jeweilige Nachbar ging seinerseits ohne Verzögerung zu seinem nächsten Nachbarn und überbrachte mit dem Brettchen die Nachricht. So wurde in kürzester Zeit das gesamte Dorf informiert. Es kursierte der Aberglaube, dass es Unglück bringe, sollte man das Nachbarschaftszeichen ins eigene oder ins Nachbarhaus hinein tragen. Nur ans Gassentor wurde geklopft, bis der Nachbar/die Nachbarin aus dem Haus kam, die Nachricht in Empfang nahm und unverzüglich weitergab. Der Aberglaube mit dem Unglückbringen war nur erfunden, damit die wichtige Information schnell weitergegeben wurde, denn wie leicht hätte eine in der Küche am Herd beschäftigte Hausfrau das „Zoichen“ mal kurz weggelegt und später vergessen, bei all den Verpflichtungen, die sie hatte. So aber, durch diese strenge Disziplin kombiniert mit diesem Aberglauben klappte die Informationsübermittlung fast so schnell wie mit den heutigen modernen Medien.
Einmal konnte eine Hausfrau tatsächlich nicht selber zur Nachbarin gehen und beauftragte ihre 8jährige Tochter: Geh zur Nachbarin und sag: Der Häisväouter S. let ze Wäss dän, seng Haismuotter äs gestårwen. Mårren åm Zwei äs de Lech.“ Das Kind geht zur Nachbarin: „Trengemähn, ihr sellt de Wäst undän. Mårren åm Zwei äs de Lech!“ (Tante, zieht die Weste an, morgen um Zwei ist die Leich/Beerdigung…).
Geht man zum Kondolieren „zem Haden“ (=Hüten des Sarges, Totenwache) ins Trauerhaus, sagt man folgenden Satz:
„Bedrafnes äs mer uch Loid åm ausen verstorwänen Oihmen/aus verstorwän Mähn, Guott erfrau‘ ǝm/er dǝ Soil äm oiwigen Lëiwen.“ (Betrübnis ist mir und Leid um unseren verstorbenen Oheim/unsere verstorbene Muhme, Gott erfreue ihm/ihr die Seele im ewigen Leben.)
Beim „Haden“ im Trauerhaus wird den Gästen Wein und Brot angeboten. Jedoch niemand würde gleich mit Essen und Trinken anfangen, man ist gut erzogen und weiß, was sich ziemt. Man ist ja auch kein Muta (dumm und stumm) und hat die passenden Worte sozusagen am Schnürchen, von den Altvorderen übernommen und auswendig gelernt: Vor dem Weintrinken und dem Verteilen des frisch gebackenen Brotes, das von einem großen Laib abgeschnitten und stückchenweise reihum unter den Gästen verteilt wird, spricht man: „Guott geiw dem/der Verstorwänen dǝ seilig Räh uch ǝn fröhlich Åferstǝhung, Guott troist uch aus, dǝ Hoinjerbliewänen“ (Übersetzung s. weiter unten).
Am Tag der Beerdigung, bevor der Sarg das Haus, den Hof verlässt, bedanken sich die nächsten Verwandten am offenen Sarg vor allen Trauergästen bei dem Toten. Hier gibt es keine Vorgabe, jeder tut dies auf seine Art. Die Kinder vergaßen in ihrer Aufregung oft, was sie am Sarg der uralten Groiß – sie war grad 65 geworden – sagen sollten. Daher nahmen sie eine Abkürzung: „Ich bǝdăunken mich åm miënj Groiß“ (=Ich bedanke mich für meine Großmutter) und alle mussten – hinter vorgehaltener Hand – lachen, dabei hatte das Kind genau das Wichtigste und Richtigste gesagt.
Auch kam es vor, dass die „alte“ Groiß genau während den Hochzeitsvorbereitungen für den Enkel oder die Enkelin verstarb. Was tun? Das Schwein war schon geschlachtet, Kühlschrank gab es keinen, Brot, Hanklich, Striezel waren gebacken, Wein eingekauft, Verwandtschaft „gerufen“ (eingeladen). Daher hat man die Groisi sang- und klanglos in den kühlen Keller gelegt und erst nach der Hochzeit begraben.
Beim Lechzoichen (Leichenschmaus), das immer im Trauerhaus stattfand (in Siebenbürgen allgemein auch „Tränenbrot“ genannt) sprach jeder eintretende Gast den folgenden Satz: „Ze waintsche weir geweist zem Fraudemîǝhl ze kun uch net zem Traiermîǝhl.“ (Wir hätten uns ein Freudenmahl gewünscht und kein Trauermahl). Das Weinglas erhob man zum Gedenken an den Toten mit den ähnlichen Worten wie zwei Tage zuvor beim Hüten am Sarg: „Gott gebe dem Verstorbenen eine selige Ruhe und ein fröhliches Auferstehen. Gott tröste die Hinterbliebenen.“
Wie war die Predigt?
Osterfestgottesdienst in Martinsberg: Ein Mann, der nie in die Kirche ging, war aber recht neugierig und fragte seinen Nachbarn, einen fleißigen Kirchgänger, der verständig und belesen war, nach seiner Meinung zur Osterpredigt. Dieser verriet ihm: „Die Predigt war gut.“ Verbesserte sich aber und fügte noch hinzu: Eigentlich waren es zwei Predigten: mit der einen meinte er es gut und fein, mit der anderen geißelte er: Mät ener nåhm hi et esi äm Fengjen, mät der åndern gīßelt hi.
Chrästneicht – Wîǝ äs de Scheir?
Es ist Heiligabend und die Kirche ist voll besetzt bis zum letzten Platz und bis hinauf zu den Gleitern (Emporen). Eine Mutter mit ihrem lebhaften Vierjährigen findet nur noch ein kleines Plätzchen im Gestühl nahe der Kanzel. Während der Predigt wird der Kleine immer wieder unruhig und fängt an laut zu plappern. Keine Ermahnung hält lange vor und als letztes Mittel droht seine Mutter ihm, dass der Pfarrer ihm die Zunge rausschneiden wird, wenn er nicht leise ist. Seine berechtigte Frage und einzige Sorge: Wo ist die Schere???
Unangemeldete Hausbesuche, heute ein Ding der Unmöglichkeit
Ein anderer Stolzenburger erzählte mir neulich eine Begebenheit, die seine Loihrerän, die Frau Schneider, betraf. Die Lehrer machten vorschriftsmäßig unangemeldete Hausbesuche bei ihren Schülern, mindestens einmal im Jahr. So kam die Frau Lehrerin, die gleichzeitig Pfarrersgattin war und so zumindest theoretisch noch mehr Autorität besaß, zu unserem Tini auf die Zeile und machte seinem Vater im Gespräch klar, dass der Tini zwar kann, wenn er will, aber meistens doch nicht kann, weil er Wichtigeres zu tun hat, åf der Gåss, un der Bäǝch, åf dem Feild uch än der Schaier.
Der Vater war sehr ungehalten über seinen Sohn und meinte zur Lehrerin: Frau Lehrerin, Sie sind jederzeit bei uns willkommen und können uns wann immer besuchen, aber ich verspreche Ihnen, wegen diesem heutigen Grund werden Sie nicht mehr zu uns kommen müssen.“ Was so viel hieß wie „Tin, bring die Rute, jetzt gibt es was auf den Hintern. Und Hausarrest obendrein!“
Vor längst vergangener Zeit
Mein Ururgroßvater Johann Hallmen, also der Sohn vom „Dicken Hallmen“, war nicht nur der Schwager sondern auch der Cousin 1. Grades von Pfarrer J. Plattner und demzufolge Cousin seiner eigenen Frau Katharina, die eine Schwester Plattners war. Das Vermögen musste ja zusammenkommen bzw. zusammenbleiben. Hauptsache, es waren „Letch vu Letchjen“, die man heiratete, auch wenn es bereits fast an Inzest grenzte. Ihre Mütter waren nämlich die Schwestern Anna und Katharina geb. Siewert, die Töchter des legendär reichen Lorenz Siewert, der 1849 in den Wirren der Revolution auf verhängnisvolle Weise kurzerhand erschossen worden war. War es ein Missverständnis? Neider? Verrat? Missgünstige Knechte oder seine zahlreichen Schuldner? Oder gar seine junge, zweite Ehefrau, die das Erben gar nicht erwarten konnte? Ungarisches Militär hatte den Schießbefehl gegeben, obwohl Lorenz Siewert überaus freundschaftliche Beziehungen zum verantwortlichen Oberbefehlshaber General Bem gepflegt hatte. Ihm wurde zur Last gelegt, dass ein Husar in seinem Keller ermordet worden wäre, wovon er gar nichts mitbekommen hatte. Ob die junge Ehefrau beim Weinholen im Keller vom Soldaten belästigt worden war oder ob sie einfach den geforderten Wein nicht rausrücken wollte und zuschlug, ist leider nicht überliefert. Weitere Details über den Reichtum und das Leben des Urahnen Lorenz Siewert ist den verschiedenen Schriften des J. Plattner zu entnehmen.
Ebenfalls vor sehr langer Zeit war ein wohlhabender Bräutigam auf dem Weg zum Elternhaus seiner Braut, die schwanger war und um deren Hand er bei ihren Eltern anhalten wollte („Et wid Ech woihl bewåsst sen, woråm ich bä kun….“). Ausgestattet mit dem roten Seidentuch als Morgengabe für seine Zukünftige und auf dem Weg zu ihr wurde er jedoch, an einem anderen stattlichen Haus vorbeigehend, unversehens von dessen Haisväǝter (Hausherrn) durchs Gassentürchen hineingezerrt und gezwungen, den Heiratsantrag, „det Hoischen“, für dessen schöne Tochter zu stellen, die er dann auch heiratete … Vielleicht sind das aber auch nur böse Gerüchte, es ist schließlich schon so lange her. Wer weiß, wie es sich tatsächlich zugetragen hat…
Eine Freundin erzählt:
„Mein Urgroßvater war Vater von zehn Kindern. Der 1. Weltkrieg hatte begonnen und er hatte, wie viele andere, die Einberufung für die Front erhalten. Manche der jungen Männer hofften, bei dieser Gelegenheit endlich einmal die große, weite Welt zu sehen. Seine Frau jedoch war anderer Meinung und ist angeblich bis nach Wien gegangen, wo sie den alten Franz-Josef gebeten hat, ihren Mann vom Kriegsdienst freizustellen, was dann auch geschehen ist. So musste mein Urgroßvater nicht in den Krieg ziehen. Sie war eine mutige und tüchtige Frau. Wenn sie die Wäsche der großen Familie wusch, machte sie immer zehn Stapel mit den Kleidungsstücken, einen für jedes Kind.“
Die liebe Not mit dem Jacksel
Wer kennt den/das/die Jacksel?
Es lebte ein Mann in der Kirchgasse, der hatte Hühner, die keine Federn hatten. Einmal kam der Winter schon im Oktober und er bedauerte seine frierenden Jacksel und strickte einem jeden ein warmes Wollkleidchen. So hatten die Leute was zu lachen und zu bestaunen!
Sommerluft
Eine Heltauerin erzählt:
„Wie schön es doch war, wenn man unter die frisch gewaschene, gestärkte und gebügelte weiße Bettwäsche schlüpfte: sie raschelte so und war angenehm kühl im Sommer. Die dicken Mauern des alten Hauses und die grün gestrichenen Holzjalousien, (in Stolzenburg Schalăuen genannt), hielten die heiße Luft draußen und nur ein leichter Luftzug bewegte die Gardinen. Dieses Gefühl werde ich mein Lebtag nicht vergessen.“
Autoritäten und Spitznamen
Einige Lehrer hatten Spitznamen, nicht alle. Meist nur die, die mit dem Stock oder dem Spanischen Rohr ‚bewaffnet‘ ins Klassenzimmer kamen. Einer hatte manchmal sogar Wutanfälle und wenn ihn ein Schüler ärgerte, schimpfte er: „Du Strolch!“ Unser Will, nicht faul, gab geistesgegenwärtig zurück: „Wenn ich ein Strolch bin, dann bist du ein Biber!“ Und Biber ist er geblieben.
Die anderen Spitznamen, einige Lehrer hatten sogar zwei, hab ich vergessen, aber ich habe erfahren, wie der Pfarrer von den Konfirmanden in den 70er Jahren genannt wurde: der Schlippka: Wegen seiner schwarzen Samtmütze, manchmal etwas schief auf dem Kopf sitzend, die Teil seiner Amtstracht war. –
Birki im Lindenbaum
Wie bereits früher berichtet, wurde im Konfirmandenunterricht (än der Loihr) oft Unfug getrieben. Im Sommer fanden die Vorbereitungen für das „Mätblaiwen“ meistens im kühlen Vorraum der Kirche, an der frischen Luft, statt. Einer der 14jährigen war schon vor Beginn des Unterrichts vor lauter Langeweile in einen der Lindenbäume im Kirchhof gestiegen und wollte gar nicht mehr runterkommen. Der Pfarrer bemerkte ihn erst, als er ihn aufrief und dieser folgsam aus luftiger Höhe antwortete und die Strophe aus dem Gesangbuch einwandfrei „aufsagte“.
Ein anderer Konfirmand stöberte einmal, als die Gruppe kurz unbeaufsichtigt war, in der staubigen Altarnische herum und förderte ein kleines Glöckchen zutage. Als der Pfarrer eintrat und das Glöckchen mit seinem Träger seine Runden durch den Kirchenraum machte, nahm der Pfarrer kurzerhand den Stock, mit dem die Kerzen am Altar ausgelöscht wurden, und rannte hinter dem Jungen her, bis dieser auf- und das Glöckchen abgab.
Der Kommentar des Pfarrers: „Ihr habt nur Mucken im Kopf!“ brachte nicht etwa Ruhe und Ordnung in die Rasselbande, sondern jetzt ging das Gelächter erst richtig los.
Kuhhandel:
Ein Bauer hatte eine Kuh, die nicht richtig fraß und im Joch war sie schon gar nicht zu gebrauchen. Milch gab sie auch nur wenig. Sie war „nästnätzig uch haklich“. Daher sollte sie verkauft werden. Jedoch wie sollte man das anstellen? Ein Bekannter, namens Trifan, bot sich an, ihm beim Kuhhandel auf dem Viehmarkt in Hermannstadt zu helfen. Dort lobte er die Kuh in den höchsten Tönen. Der Eigentümer hörte seinem überzeugenden Nachbarn staunend zu und kam zu dem Schluss, das Tier gar nicht mehr verkaufen zu wollen.
Kinderlandverschickung vor 90 Jahren
Eine Stolzenburgerin arbeitet in einem Seniorenheim und trifft da auf einen älteren Herrn, der ihren Akzent bemerkt und direkt fragt, aus welcher Gegend von Siebenbürgen sie denn komme. Zur Antwort „Aus Stolzenburg!“ hat der alte Herr als Antwort gleich auch den rumänischen Ortsnamen „Slimnic“ parat. Unsere Stolzenburgerin ist nun ihrerseits neugierig geworden und fragt, woher er denn Siebenbürgen und den Namen ihres Heimatortes kenne?
Er erzählt ihr daraufhin, dass er als Zwölfjähriger im Rahmen der Kinderlandverschickung mit vielen anderen Kindern aus dem hungernden Deutschland für ein paar Wochen auf Sommerfrische nach Siebenbürgen geschickt und bei einer Stolzenburger Familie untergebracht wurde, die ihn durchfütterte. Nur Pallukes/Polenta „de Palleocks“, hat ihm nicht so geschmeckt…
Aberglaube mit Wirkung
Genauso effizient wie der Zauber, der dem Nachbarschaftsbrettchen inne war, nämlich dass es nicht ins Haus getragen werden darf, sondern sofort mit der wichtigen Nachricht weitergegeben werden muss, weil sonst ein Unglück geschieht, war auch der Aberglaube mit der Brunnenmutter: Damit die Kinder nicht in die Nähe des tiefen Brunnenschachts gehen, sagte man zu ihnen:
„Påß åf, de Brånnemuotter kit and zecht dich ännen!“
Ich hab ihn getauft
Eine Stolzenburgerin erzählt ihrer bundesdeutschen Nachbarin von einem gemeinsamen Bekannten und bemerkt dazu: Mein Mann hat ihn getauft (=ist sein Taufpate).
Die Nachbarin, ganz erstaunt über diese Neuigkeit, entgegnet: Ach, Ihr Mann ist Pfarrer?
Groisi passt gut auf
Eine alte Oma sitzt im Stiwwken (Altenteil) am Fenster und erblickt auf der Straße ein paar junge Burschen, die mit ihren Enkeltöchtern, die untätig im Gåssendirrchen stehen, flirten wollen: Säch, dîǝ kun se, des Măcălăi!
Gastfreundschaft bei unseren Stolzenburger Mitbürgern – mein Haus ist dein Haus
Der Dutzi lädt den Huonz zu sich nach Hause ein. Sein Heim besteht aus einem einzigen Raum. An der Decke sind in Abständen von einem Meter die bekannten Deckenquerbalken angebracht, in Stolzenburg „Treif“ genannt. Der Huonz tritt ein und bleibt höflich an der Tür stehen. „Hai in casa dinentre!“ ermutigt ihn Dutzi: „Komm doch herein, ins zweite Zimmer!“ Der Huonz sieht aber kein zweites Zimmer. Dutzi meint, sein Gast möge den Raum mindestens bis hinter den dritten Deckenbalken betreten, denn dort beginne das zweite, das Zimmer für die Ehrengäste.
Die Schmerzen der Geizhälse
Ein Bekannter äußerte mal seine Meinung über eine gewisse Gruppe von Akademikern und Anzugträger im Allgemeinen: „Ja, das sind die gescheiten Leute in ihren feinen Anzügen mit den Taschen voller Geld. Aber wenn sie die Hand in die Tasche stecken, dann kickt es sie!“ Heißt so viel wie: wenn sie Geld rausrücken sollen, dann zögern sie und überlegen es sich wieder. Geld abzugeben ist schmerzhaft für Geizhälse. Wörtlich: Es sticht sie etwas in die Finger. Die „stechenden Taschen“ erinnern mich an eine Legende um den persischen Dichter Firdausi (Firdusi), der trotz langjähriger Arbeit um seinen wohlverdienten Lohn geprellt worden war und leer ausging, weil seine Auftraggeber „kurze Arme und Gewänder mit sehr tief angesetzten Taschen hatten“, an die sie demzufolge schwer herankamen.
Blitz und Donner
Ich weiß nicht, ob dieser Mann wirklich so böse war oder ob nur seine Frau ihn für etwas durchtrieben hielt, jedenfalls pflegte sie des Öfteren ängstlich zu ihm zu sagen: „Eh Misch, neben dir möchte ich nicht stehen, wenn ein Gewitter kommt!“